84. UNICA-Filmmeisterschaft 2024 in Poznan/Posen

84. UNICA-Filmmeisterschaft 2024 in Poznan/Posen

Die 84. UNICA – Film Competition between Nations and Congress findet heuer vom 18. bis 23. August 2024 in Poznań – zu Deutsch Posen – in Polen statt.

Stadtführung in Posen:
Als erster Programmpunkt machen wir am Sonntag dem 18.08. einen geführten Spaziergang in die Innenstadt. Posen ist mit etwa 540.000 Einwohnern die fünftgrößte polnische Stadt. Hier herrscht reges Treiben. Wir sehen viele junge Leute, viele Touristen, moderne Architektur, historische Gebäude, Kirchen und Denkmäler.

Der Hauptplatz ist umringt von sehr schmalen, bunten, schön renovierten, alten Häusern. Das Rathaus von Posen ist ein schönes Renaissance-Gebäude aus dem 13. Jahrhundert. Jeweils um zwölf und um fünfzehn Uhr öffnen sich dort die kleinen Türen über der Rathausuhr und zwei mechanische Ziegenböcke fahren aufeinander zu um mehrmals mit ihren Hörnern gegeneinander zu stoßen.
Der Ziegenbock ist zum Maskottchen geworden. Man findet ihn in Posen an jeder Ecke, in Firmenlogos, Gasthausnamen oder als Plüschtiere für Touristen. Der Spaziergang durch die Stadt ist sehr schön und das liegt nicht nur am tollen Wetter und der interessanten Führung, sondern auch an der Freude über das Wiedersehen mit unseren internationalen Filmfreunden.

Kulturzentrum Zamek:
Am Nachmittag schauen wir uns, im Rahmen des Treffens der „Freunde der UNICA“, das Kulturzentrum im Schloss an. Die frühere Residenz Kaiser Wilhelm II. zählt zu den wichtigsten Baudenkmälern der Stadt. Das riesige Schloss (polnisch “Zamek”) fungiert heute als Galerie, Konzertsaal, Ort für Veranstaltungen und Kino. Es ist der mehr als würdige Austragungsort für die UNICA 2024.
Nach der Führung gibt es, bei einer Jause im Restaurant im Schlosshof, die Gelegenheit zu plaudern.

Eröffnung:
Am Sonntagabend wird die Veranstaltung vom Präsidenten der UNICA, Rolf Leuenberger offiziell eröffnet. Wir hören die obligatorischen Ansprachen, umrahmt von der Musik eines Duos mit Synthesizer/Klavier und Geige. Ich freue mich darüber, dass mein Film über die UNICA-2023-Comacchio vorgeführt wird und über das positive Feedback der Zuschauer. Später wechseln wir vom großen Saal im Schloss wieder hinunter in den Schlosshof zu Buffet und gemütlichem Zusammensein.

Hauptbewerb:
Von Montag dem 19.08. bis Mittwoch dem 21.08. werden im Hauptbewerb tagsüber 75 Filme aus 23 Ländern gezeigt. Österreich präsentiert drei VÖFA-Filme:

1Dunkelgrau bis SchwarzViktor Kaluza328 FVC Wals-Siezenheim
2The StrangerMartin Kober & Friedrich Kober103 AFC Wien
3Land of MineHelmut Schwarz118 LC Eisenstadt

Während die Ideen – gerade auch von unerfahrenen Filmemachern – oft recht gut sind, mangelt es bei manchen Filmen bei der Umsetzung und der Handhabung des Equipments, während sich andere Filme in dieser Hinsicht keine Blößen geben. Dahingehend ist das Niveau sehr unterschiedlich. Der Kinosaal bietet hervorragende Bild- und Tonqualität. Die Pausen können im Café im Kulturzentrum oder in einem der zahlreichen, umliegenden Lokalen verbracht werden.

Schade, dass die schwedischen Beiträge nicht gezeigt werden, da sie zu spät eingereicht wurden.

Jurybesprechungen:
An den Abenden werden die Filme durch die Jury besprochen. Sie setzt sich aus Thomas Schauer (AUT) (Jurypräsident), Jan Waterson, (GBR), Wojtek Kukla (POL) und einem Gast zusammen, der an jedem Abend wechselt. Als Gäste in der Jury hören wir Kommentare von Adalbert Becker, Romy Van Krieken und Bernhard Zimmermann. Die Jurydiskussion wird in Englisch geführt und für deutsch- und französischsprachiges Publikum simultan über Kopfhörer übersetzt. Der polnische Juror gibt selten Kommentare ab und wenn er etwas ausführlich sagen möchte, wechselt er in die deutsche Sprache, so dass Thomas seine Kommentare dann nochmal auf Englisch zusammenfassen muss.

Bei der Besprechung wird noch keine Wertung abgegeben. Leider werden die Filme sehr oft so besprochen, dass keine Rückschlüsse auf eine spätere Wertung gezogen werden können, da nur die positiven Aspekte genannt werden. Schade auch, dass sich Thomas Schauer zu den Österreichischen Filmen gar nicht zu Wort meldet.

Generalversammlung:
Am Donnerstag dem 22.08. wird am Vormittag die Generalversammlung abgehalten. 18 Länder sind vertreten. Das neue UNICA Komitee wird gewählt, das Budget angenommen und eine “ruhende” Teilnahme für Bulgarien, Russland und Tunesien beschlossen, da mit diesen Ländern seit längerer Zeit kein Kontakt mehr besteht.
Die Delegierte von Schweden, Aase Högfeldt, hatte aus Gesundheitsgründen die schwedischen Beiträge verspätet geschickt. Sie nimmt, nach Rücksprache mit den Autoren, den Vorschlag an, die diesjährigen Beiträge bei der nächsten UNICA 2025 in Birmingham teilnehmen zu lassen.

Ländertrailer:
Am Nachmittag erwartet uns der World Minute Movie Cup. Davor werden aber die Trailer der Nationen gezeigt. Eigentlich steht jedem Land zusätzlich zu der Vorführzeit seiner Filme im Hauptbewerb auch Zeit zur Verfügung, um einen Ländertrailer zu zeigen. Traurig genug, dass diesmal nur vier Länder einen Trailer geschickt haben. Darunter ist Österreich mit einem Trailer von Thomas Winkler. Die Entscheidung, diese Trailer, anstelle vor dem jeweiligen Länderprogramm, nacheinander in einem Block am Ende der Veranstaltung zu zeigen, kann ich nicht nachvollziehen. Die Aneinanderreihung ohne Bezug zu den jeweiligen Länderprogrammen wird auch in Zukunft kein Land dazu animieren, wieder einen Trailer zu machen – schade.

WMMC:
Zum World Minute Movie Cup wurden 19 Filme eingereicht. Da nur 16 gegeneinander antreten, hat eine Vorjury drei ausgewählt, die gezeigt werden aber nicht teilnehmen. Die beiden Österreichischen Beiträge sind im Bewerb dabei:

1NarzissenThomas Winkler218 VST Wr. Neudorf
2Wehe dem, der lügtErnst Thurner & FVK Villach506 FVK Villach

Bei den Minutencup-Filmen werden oft Witze verfilmt. Bei diesem Wettbewerb wurde sogar derselbe Witz von zwei verschiedenen Autoren ausgewählt, verfilmt und eingereicht. Der österreichische Film „Wehe dem der Lügt“ vom Team um Ernst Thurner vom FVK-Villach und der deutsche Film „Die neue App“ von Franz Dietrich haben den gleichen Witz als Grundlage. Leider scheidet „Wehe dem der lügt“ schon in der ersten Runde aus. Der zweite österreichische Beitrag und Minutencup-Staatsmeister „Narzissen“ von Thomas Winkler muss sich erst im Finale gegen „Die neue App“ geschlagen geben. Gratulation zum zweiten Platz. Der Sieger, Franz Dietrich hat es geschafft, schon zum fünften Mal bei einer UNICA zum Minutencup-Weltmeister gekürt zu werden.

Award- und Closing-Ceremony:
Nach einer Pause findet schon am Nachmittag die Preisverleihung und Schlussveranstaltung statt.
Der Preis für das interessanteste Länderprogramm geht an Spanien. Den Preis für den besten Film im Hauptbewerb erhält Marcus Siebler aus Deutschland für seinen Film „Schwarzstrom“.

Der VÖFA darf sich über zwei Bronze-Medaillen für “Land of Mine” von Helmut Schwarz und “The Stranger” von Martin Kober, sowie ein Ehren-Diplom für “Dunkelgrau bis Schwarz” von Viktor Kaluza freuen.
Besonders gratulieren dürfen wir Helmut Schwarz, dem für seinen Film “Land of Mine” die UNESCO-Fellini-Medaille (Delmiro de Caralt Preis) verliehen wird, als ein Werk, das die von der UNESCO geförderten Werte der Toleranz und des Friedens bezeugt.
Die gesamte Film- und Bewertungsübersicht und noch mehr Infos sind hier zu finden: https://unica.movie/2024

Es ist sicher schwierig bei einer Abschlussveranstaltung eine Aufzählung von so vielen Bewertungen und die Übergabe der Preise an so viele Länder kurzweilig zu gestalten. Thomas Schauer und sein Jurorenteam haben immerhin Laudationen vorbereitet aber ohne Bühne und Scheinwerfer, am Nachmittag, vor einem Publikum, das teilweise kurze Hosen und Sandalen trägt – das macht die Award- und Closing- „Ceremony“ wenig feierlich. Schade auch, dass nicht sehr viele – und aus Österreich gar keine Autoren anwesend sind, um ihre Preise entgegenzunehmen.
Die UNICA 2025 wird in Birmingham stattfinden und so übergibt der diesjährige, polnische Ausrichter, Andrzej Przezdziecki die UNICA-Münze an Linda Gough aus Großbritannien. Mir hat es besser gefallen, als noch die UNICA-Fahne übergeben wurde und nicht die winzige, vom Publikum aus, kaum sichtbare Münze.
Das anschließende Buffet im Schlosshof lässt keine Wünsche offen. Am Abend wird gefeiert, gegessen, getrunken, gescherzt, gelacht und zu Livemusik getanzt.

Ausflug nach Gnesen:
Am Freitag dem 23.08. machen wir einen Ausflug. Wir fahren mit der Eisenbahn in die Stadt Gniezno – zu Deutsch Gnesen, die ca. 50km östlich von Posen liegt. Sie ist eine der ältesten Städte Polens. Ein Stadtführer zeigt und erklärt uns ausführlich die Sehenswürdigkeiten auf dem Weg vom Bahnhof in die Innenstadt. Die Stadt ist stolz darauf, dass hier im Lauf der Geschichte fünf Könige gekrönt wurden. Unterwegs sehen wir zwei ihrer lebensgroßen Statuen. Weil das polnische Wort für König “król” ähnlich wie das alte polnische Wort “królik” für Kaninchen klingt, stehen in der Stadt auch Bronzestatuen von Kaninchen herum, um auf interessante, bislang wenig beachtete Orte im Stadtbild oder vergessene Geschichten aufmerksam zu machen.

Als Highlight unserer Führung erreichen wir schließlich die Erzkathedrale, die Hauptkirche des Erzbischofs von Gnesen, sowie des Primas von Polen. An ihrem Südportal findet sich die Gnesener Bronzetür aus der Zeit zwischen 1160 und 1180. Die zweiflügelige, riesige Tür stellt in 18 Reliefs das Martyrium von Wojciech (Adalbert) dar, einem der heiligen Schutzpatrone Polens. Nachdem wir auch das beeindruckende Innere der Kirche besichtigt haben, essen wir gemütlich zu Mittag und genießen etwas freie Zeit, um Gnesen auf eigene Faust erkunden zu können.

Individuell Get Together:
Am Samstag dem 24.08. steht leider kein Ausflug mehr im UNICA-Programm. Seit 2022 sind die Ausflüge am Ende der Veranstaltung. Teilnehmer die sich diese nicht leisten wollen oder zu wenig Zeit haben, gibt das die Möglichkeit, früher nach Hause zu fahren. Dieses Jahr wird am Ende überhaupt nur mehr ein Ausflug angeboten. Diese Entwicklung ist für uns bedauerlich, da Susanne und ich diese internationalen Festivals auch dazu nutzen, um immer wieder neue Orte kennen zu lernen und diese gerne im Kreis unserer lieben Filmfreunde erkunden. Wir nutzen die Zeit am Samstag und besuchen, gemeinsam mit dem Ehepaar Allin, weitere Sehenswürdigkeiten in Posen: die Dominsel, den Maltasee und den neuen Zoo. Am Sonntag dem 25.08. treten wir die Heimreise nach Graz an.

Bericht und Fotos von Dieter Leitner