Ein Blick zurück
Das Festival der Nationen wurde 1973 gegründet und hat seither internationale Filmgeschichte geschrieben. Ursprünglich in Kärnten beheimatet, zog es 1989 nach Ebensee, wo es unter der Leitung von Erich Riess viele Jahre lang zu einem Treffpunkt der Amateur- und Autorenfilmszene wurde.
2013 wechselte das Festival nach Lenzing. Unter der Leitung von Christian Gaigg und zusammen mit Hans-Joachim Derra und mit Esther Wenger wurden die Weichen neu gestellt: Studentenfilme und professionelle Produktionen rückten stärker in den Fokus, ohne die nicht-kommerziellen Film-Autoren aus den Augen zu verlieren. Über fünf Jahrzehnte lang war das Festival ein Ort der Begegnung, des Austausches und der filmischen Vielfalt.
2025 ging nun die 53. Ausgabe über die Bühne – und es könnte die letzte in dieser Form gewesen sein.

Interview mit Festivaldirektor Christian Gaigg
- Das Festival of Nations gibt es schon seit 1973. 1989 ist es von Kärnten nach Ebensee gewandert und wurde dort von Erich Riess geleitet. 2013 fand das 41. Festival der Nationen dann zum ersten Mal unter deiner Leitung in Lenzing statt. Wie hat sich das Festival unter deiner Leitung verändert?
Christian: Eigentlich hat sich gar nicht so viel verändert. Als ich das Festival zusammen mit Ester Wenger übernommen habe, war schon klar, dass wir den Fokus mehr auf Studentenfilme und professionelle Filme lenken werden und der VÖFA (Verband der Österreichischen Film-Autoren) und der BDFA (Bundesverband Deutscher Film-Autoren) je einen Block bekommen, den sie selbst mit Filmen bestücken können. Das ist dann auch gut angekommen.
- Unter Erich Riess wurden Teddy Bären als Preise vergeben. Du hast dann eine neue Trophäe kreiert – den Lenz.
Christian: Ja, die Teddy Bären waren mir zu kindisch. Das Festival war ja ursprünglich für – damals nannten wir uns Amateure. Ich habe mit der Bezeichnung kein Problem – ich bin selber ein Amateur und auch kein anderer Filmemacher als die Anderen im Verband (Anmerkung: Christian Gaigg ist VÖFA-Mitglied und Obmann im Filmclub Attergau).
Eines möchte ich aber schon sagen und das brauchst du nicht herauszuschneiden. Es gab ein paar, die das Festival immer treu besucht haben, aber viele VÖFA-Mitglieder haben mich da schon im Stich gelassen. Ich weiß nicht warum manche mit unserem Festival nichts anfangen können. Es handelt sich bei unseren Filmen zwar oft um professionelle Produktionen, aber man kann sich immer etwas abschauen. Die professionellen Autoren sind umgekehrt auch oft überrascht, was für tolle Filme in den Blöcken der nicht-kommerziellen Film-Autoren laufen. Leider kommt es auch bei den professionellen Autoren oft vor, dass sie sich keine anderen Filme anschauen. Bei uns zwingen wir sie ein bisschen dazu, dass sie sich hineinsetzen und sich auch die Filme der Anderen anschauen – dann passt das.
- Du schaust dir ja alle Filme, die du für das Festival bekommst, selber an und triffst daraus eine Auswahl. Von welchem Verhältnis sprechen wir da?
Christian: So etwa eins zu zehn – also ich habe so meistens um die tausend Einreichungen.
- Du schreibst in deinem Vorwort im Festivalprogramm:
“Viele Kurzfilme sind herausfordernd und stoßen wichtige Themen unseres Lebens an. Es ist wichtig, Filme zu machen und zu zeigen, die ein Anliegen haben oder Fragen stellen.”
Sind das die Kriterien, nach denen du die Filme aussuchst?
Christian: Ich nehme natürlich die guten Filme ins Programm. Das sind meist die, die nicht selten auch eine Herausforderung für das Publikum und Jury sind. Die Filme, die provozieren und Diskussionen auslösen. Beim letzten Festival 2024 gab es einen eigenen Block für israelische und einen für russische Beiträge. Die Autoren aus diesen Ländern haben ja auch unterschiedliche Ansichten. Man kann ja nicht sagen, dass alle Russen schlecht wären, da gibt es ja auch genug kritische Filmemacher. Das war beim israelischen Block genauso. Auch der ist relativ gut angekommen. Im Grunde hat das ganz gut funktioniert.
- Ich erinnere mich gerne an das Festival, wo du am Abend sehr skurrile Horrorfilme gezeigt hast.
Christian: Ja – manche Filme sind so schlecht, dass sie dann auch schon wieder gut sind. Das haben manche auch zu meinen eigenen Filmen gesagt (lacht).
- So ein Festival ist immer viel Arbeit. Was bekommst du von den Besuchern zurück – was sind die schönen Momente, an die du dich erinnerst?
Christian: Ich lege viel Wert darauf, dass die Leute zusammenkommen und miteinander reden können. Deshalb gibt es am Abend diese Bar – das Festival Meetup, das hört sich besser an. Es gibt die Schifffahrt und die Preisverleihung in diesem besonderen Rahmen, damit die internationalen Leute zusammenkommen. Da entstehen viele Freundschaften. Vor allem möchte ich die vielen Menschen nicht missen, die ich in der Jury gehabt habe. Sie sind echte Freunde geworden, auf die man sich verlassen kann.
- Wie teilst du die Arbeit bei der Vorbereitung und Durchführung des Festivals auf?
Christian: Vieles mache ich natürlich selber. Gott sei Dank habe ich eine Sekretärin, die Sigrid, die mir beim Schriftverkehr hilft und dafür sorgt, dass die Filme, die Texte und die Bilder rechtzeitig da sind. Dann habe ich die Sophie, die unter anderem die Filme herunterlädt. Oft gehen die Hälfte davon nicht und dann muss sie Verbindung mit dem Autor herstellen, der oft dann aber schwer erreichbar ist. Auch über Film-Freeway oder eine Agentur dauert das dann oft lange und da steckt viel Arbeit dahinter. Es gibt natürlich noch viele helfende Hände, meine Familie und Freunde, die in der Vorbereitung, beim Festival selbst und in der Nachbereitung helfen und bei denen ich mich herzlich bedanken möchte. Ohne den Einsatz und das Engagement meiner Mitarbeiter wäre ein solches Festival nicht machbar.
- Das Schöne an dem Festival ist, dass immer viele der Autoren anwesend sind. Unterstützt du die Autoren dabei, nach Lenzing kommen zu können?
Christian: Ja, wir versuchen vor allem den internationalen Gästen, den Studenten – meistens sind es ja jüngere Leute, das Hotel zu ermöglichen. Ich habe gute Verbindungen, damit die Kosten da nicht ausufern. Die Unterbringung ist mit zirka € 20.000 einer der größten Posten im Budget.
- Eine Besonderheit beim Festival ist die Filmbesprechung durch die Jury gemeinsam mit den Autoren, bei der auch das Publikum mitreden kann. Kommt das gut an?
Christian: Ja, 98 Prozent der Autoren sind begeistert. Denen taugt es bei uns voll. Wir sind auch bei FilmFreeway auf Goldstatus (Anmerkung: FilmFreeway ist die weltweit größte Online-Plattform für Filmemacher, um sich bei Filmfestivals und Wettbewerben zu bewerben und diese zu finden). Wir haben die besten Bewertungen und sind weltweit eines der beliebtesten Festivals überhaupt.
- Schon 2024 stand im Raum, dass es eventuell das letzte Festival of Nations gewesen sein könnte. Heuer hat es doch noch einmal stattgefunden. Besteht Hoffnung, dass das Festival unter deiner Leitung weiter bestehen wird?
Christian: Letztes Jahr sind einige Förderungen gestrichen worden, schon in der Vorbereitung. Da gab es dann nur die Möglichkeit zu verkürzen und abzuspecken. Das wollte ich aber nicht und war sehr angefressen. Wir haben dann irgendwie versucht, das Geld aufzutreiben.
Die Arbeit wird immer mehr, die Förderungen immer weniger und ich brauche niemandem zu erzählen, was es für eine Arbeit ist, Sponsoren aufzutreiben. Wir haben leider keinen Großsponsor und werden von der Gemeinde Lenzing auch nur in geringem Maße unterstützt. Das ist ziemlich frustrierend. Das ist die finanzielle Seite.
Das Andere ist, dass mir das alles schon ein Bisschen zu viel wird. Im Grunde bin ich ja doch für alles alleine verantwortlich, auch wenn viele Leute super arbeiten. Dazu kommt die schwere Krankheit meiner Frau. Diese Umstände wirken sich auf die Motivation des ganzen Teams aus.
Die Zukunft schaut so aus, dass Heinz Kaspar, ein Lichtkünstler und Filmemacher, der diesmal auch bei uns in der Jury war, ein kleines Konzept erarbeitet hat. Er möchte da gerne was machen, so mit Workshops in der Nähe von seinem Geburtsort Vöcklabruck.
Vielleicht machen auch junge Leute was Neues, wahrscheinlich sogar Besseres. Falls etwas zustande kommt, bin ich da auch gerne wieder dabei, aber ich möchte nicht mehr der Chef sein, in welcher Form auch immer.
Für uns, Dieter Leitner und Susanne Dušek, war das Festival der Nationen in den letzten 15 Jahren ein Fixpunkt. Wir haben viele großartige Filme gesehen, konnten eigene Filme einem internationalen Publikum zeigen, haben Freundschaften geschlossen, Gespräche geführt und die besondere Atmosphäre genossen, die dieses Festival ausmachte.
Wenn es tatsächlich das letzte Festival of Nations in dieser Form gewesen sein sollte, dann bleibt uns Dankbarkeit: für Christian Gaigg und sein FON-Team, für die vielen Filmemacher aus aller Welt – und für die unvergesslichen Momente in Lenzing.
Es war mehr als ein Festival. Es war ein Stück Heimat für alle, die sich für die Leidenschaft Film begeistern.
Bericht und Interview: Dieter Leitner,
Fotos: Leitner, Schwarz, Zimmermann



































































